Zwei Untersuchungen in einem Durchgang

 

Bei der Krebsbekämpfung hängt vieles von der richtigen Diagnostik ab. Kombiniert mit der herkömmlichen Computertomographie liefert die nuklearmedizinische Untersuchung wertvolle Informationen über biochemische Prozesse erkrankter Zellen.

 

Bei der Krebstherapie gilt vor allem eine Regel: Der Kampf muss möglichst frühzeitig beginnen, um die unkontrollierte Ausbreitung kranker Zellen im Körper zu unterbinden. Besonders die Suche nach Metastasen – Absiedlungen eines bösartigen Tumors in Lymphknoten, angrenzendes Gewebe oder Organe  – ist für die behandelnden Ärzte entscheidend für die Therapieplanung. Unentbehrlich sind dabei bildgebende Verfahren, die nicht nur Schnittbilder vom Zustand der Organe zeigen, sondern auch biochemische Prozesse sichtbar machen und Rückschlüsse auf das Verhalten von Krebszellen im Anfangsstadium zulassen. Krankhafte Zellen verraten sich durch einen veränderten Stoffwechsel. Verbrauchen Gewebezellen beispielsweise ungewöhnlich viel Zucker, sind das Anzeichen für ein beginnendes unkontrolliertes Wachstum.

 

Das Gerät Biograph Molekular CT (mCT) von Siemens nutzt solche Erkenntnisse für die Krebsdiagnose. Der Ganzkörper-Scanner kombiniert das nuklearmedizinische Verfahren einer  so genannten Positronenemissions-Tomographie (PET), mit den dreidimensionalen Röntgenbildern der Computertomographie (CT). Dabei misst der PET-Scan im Körperinneren die Verteilung eines  schwach radioaktiv markierten Tracers – meist die chemiscche Zuckerverbindung F-18-FDG (18F-Fluordesoxyglukose) –, der dem Patienten zuvor verabreicht wurde. Das Fluornuklid  zerfällt während des Glukose-Stoffwechsels mit einer Halbwertzeit von 110 Minuten – unter Emission eines Positrons, das wiederum in Photonen umgewandelt wird, die von den PET-Detektoren erfasst und anschließend in Bilder weiterverarbeitet werden. Gleichzeitig fertigt der ringförmige Computertomograph hochaufgelöste dreidimensionale Röntgenbilder der untersuchten Körperregion und deren anatomischer Umgebung an. Aus beiden Teilbildern entstehen schließlich fusionierte Aufnahmen, die Ort und Ausmaß gefährlicher Tumorherde zeigen. Die Integration beider Verfahren in einem Gerät findet in Fachkreisen uneingeschränkte Anerkennung: „Durch diese Hybridbildgebung erhalten wir sehr viel schneller wesentlich bessere Bilder als mit einer der Methoden allein“, sagt der Nuklearmediziner und Radiologe Dr. Martin Freesmeyer, Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Jena. Die Mediziner haben Mitte letzten Jahres ein Siemens-PET/CT-Gerät der neuesten Generation in Betrieb genommen.

 

Der Siemens-Biograph misst nicht nur schneller als bisherige Gerätegenerationen, er setzt auch neue Maßstäbe bei der Bildschärfe und Präzision der Aufnahmen. Während herkömmliche Geräte bei PET-Aufnahmen eine Bildauflösung von vier bis fünf Millimetern erreichen, bietet der Biograph mCT – dank einer von Siemens entwickelten hochauflösenden Detektor- und Rekonstruktionstechnologie  – eine nahezu Zwei-Millimeter-Auflösung praktisch im gesamten Aufnahmebereich. Damit erfassen die vier Detektorringe mit insgesamt 32448 einzelnen Detektoren bislang nicht darstellbare Veränderungen im Glukose-Stoffwechsel.

 

Weniger Strahlen bei kombinierter Untersuchung. Der Vorteil für den Patienten liegt in der kürzeren Aufenthaltsdauer im Messtunnel: Routinemäßige Untersuchungen dauern nicht länger als fünf bis zehn Minuten, detaillierte Aufnahmen des gesamten Körpers eine halbe Stunde. Statt mehrfacher Röntgenuntersuchungen mit zusätzlicher Strahlenbelastung reicht ein kombinierter PET/CT-Scan, um die erforderlichen präzisen und kontrastreichen Diagnosebilder zu erhalten. Weniger Untersuchungen sind für Norbert Franke, bei Siemens Healthcare in Erlangen verantwortlich für den Vertrieb der Biograph-Geräte, ein wichtiger Pluspunkt: „Höhere Heilungschancen bei vermeidbaren Mehrfachuntersuchungen senken die Behandlungskosten“, betont er. 50 Biograph-Geräte sind bislang in Deutschland im Einsatz, fünf davon gehören der neuesten Generation an. Einem Report der Europäischen Gesellschaft für Nuklearmedizin zufolge sind im vergangenen Jahr 608 PET-Geräte europaweit in Betrieb, darunter 463 Hybrid-Scanner, die CT mit molekularer Bilddiagnostik kombinieren. „Wir registrieren eine deutliche Zunahme der Nachfrage in Asien und in den europäischen Nachbarstaaten“, unterstreicht Franke.

 

Zwar gelten vor allem die höheren Finanzierungskosten – ein Biograph mCT kostet je nach Ausstattung bis zu drei Millionen Euro – als größte Hürde für eine Anschaffung. Auf der anderen Seite senkt das Hybridgerät die Behandlungskosten, da teure Mehrfach-Untersuchungen entfallen. Zudem sind europäische und amerikanische Radiologen und Onkologen davon überzeugt, dass das Tracerverfahren zu einer wesentlich effizienteren Krebserkennung und Voraussage des Therapieverlaufs führt. Jedes Jahr, so schätzt die Deutsche Krebshilfe, erkranken 436.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs, 211.500 Menschen sterben jährlich daran. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass weltweit die Zahl der Krebserkrankungen bis zum Jahr 2030 wegen der ansteigenden Zahl an älteren Menschen um 50 Prozent zunehmen wird. Laut dem letzten World Cancer Report der WHO soll Krebs weltweit Herz-Kreislauferkrankungen als Haupttodesursache ablösen. 

 

Angesichts dieser alarmierenden Zahlen erscheint die Wirtschaftlichkeit einer kombinierten PET/CT-Untersuchung in neuem Licht: Der Erfolg teurer Chemotherapien lässt sich durch die molekulare Diagnostik besser kontrollieren, und therapeutische Maßnahmen lassen sich durch die Früherkennung effizienter planen. „Vor allem in der Nachbehandlung  ist die kombinierte PET/CT-Untersuchung allen anderen Verfahren deutlich überlegen“, bestätigt Prof. Jürgen Ruhlmann vom Medizin Center Bonn. Denn das Tracerverfahren deckt die kleinste Neubildung von Tumorzellen sofort auf: „Experimentelle Daten zeigen, dass kombinierte PET/CT-Geräte Tumorzellen von der Größe eines knappen Millimeters detektieren“, so Ruhlmann. Ärzte können mit solchen Ergebnissen in einem sehr frühen Stadium einer Neuerkrankung Gegenmaßnahmen ergreifen. Zahlreiche Studien belegen inzwischen, dass die Kombination aus molekularer Bildgebung und Computertomographie die Überlebenschance von Krebspatienten verbessert. Insbesondere bei Tumoren von Lunge, Darm, Haut, Lymphknoten, Brust und Schilddrüse sind PET/CT-Untersuchungen auf dem Vormarsch. Mehr und mehr gehen Nuklearmediziner und Radiologen nun dazu über, das Potenzial hochaufgelöster Bildgebung auch für andere Stoffwechselvorgänge und Krebsarten zu nutzen -  beispielsweise für die Behandlung von Prostatakarzinomen oder Bronchialkarzinomen und Kopf-Hals-Tumoren.

 

Andreas Beuthner