Vorreiter für intelligente Produkte

 

Mit einem Sensorchip zum dreidimensionalen Messen von Magnetfeldern schlägt das Traditionsunternehmen Seuffer ein neues Kapitel in der Firmengeschichte auf. Die Basistechnik erhalten die hauseigenen Entwicklungsingenieure aus den Labors des Erlanger Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS.

 

Ein Flair von Ruhe und Erholung liegt über dem Hirsauer Bärental. Hinter dem Firmengebäude beginnt der Wald und wenig deutet darauf hin, dass an dem idyllischen Standort in der Nähe von Calw knapp 70 High-Tech-Entwickler mit den Bauplänen und der Produktion von hochempfindlichen Messsystemen, elektronischen Schaltern und Steuerungskomponenten beschäftigt sind. In Fachkreisen zählen die Magnetfeldsensoren des mittelständischen Familienunternehmens Seuffer zu den unangefochtenen Qualitätsprodukten, auf die Automobilbauer ebenso wenig verzichten, wie Hersteller von Haushaltsgeräten – auch wenn die Nachfrage im letzten Jahr krisenbedingt schwächer ausfiel.

 

Von einem Kurswechsel in den Geschäftszielen oder der Firmenpolitik ist man bei Seuffer indes weit entfernt. „Wir glauben an die Zukunft und unser Unternehmen“, versichert Geschäftsführer Willi Enderle. Ende 2009 bezog die hauseigene Entwicklermannschaft neue Räume. Den Mut zum Ausbau der Kapazitäten schöpft der Mittelständler am Rand des Schwarzwaldes aus den guten Marktprognosen für intelligente Sensoren und anspruchsvolle Systemlösungen. „Die 3D-Magnetfeld-Technologie hat großes Potential, die wir in allen unseren Geschäftsfeldern einsetzen können“, ist Enderle überzeugt. Die 3.000 Quadratmeter hinzugewonnene Nutzfläche kommt den Entwicklern gerade recht: Jetzt haben sie ausreichend Platz, um die Entwicklung von kundenspezifischen Baugruppen für verschiedene Märkte voranzutreiben.

 

Der wichtigste Hebel für Fortschritt steckt nicht allein in einem modernen Betriebsgebäude. Bewusst fördert das Unternehmen den Erfindergeist und das Know-how der rund 400 Mitarbeiter. Die Mitarbeiter erhalten in regelmäßigen Fortbildungsprogrammen das Rüstzeug für Gespräche mit dem Anwender. Denn von diesen erfahren Entwicklungs- und Produktionsteams, wie sie ihre Produkte auf den Bedarf des Anwenderunternehmens zuschneiden müssen. Selbst vor einer kostenintensiven Vorentwicklung mit eigenem Forschungsanteil scheut das schwäbische Traditionsunternehmen nicht zurück. Seit zehn Jahren befassen sich Seuffer-Ingenieure mit Niveau- und Positionsmessungen, der Qualitätsanalyse von Flüssigkeiten und der Strommessung in unterschiedlichen Medien. Nicht immer lassen sich solche Erkenntnisse umgehend in praktische Lösungen umsetzen. Zwar sammelt Seuffer in der 80-jährigen Firmengeschichte viel Kompetenz im eigenen Haus an, doch häufig stößt ein Unternehmen, das sich im High-tech-Bereich neue Geschäftsfelder erschließt, an Grenzen.

 

„Anspruchsvolle Produkte beinhalten eine komplexe Technik,“ unterstreicht Martin Schaller, Entwicklungsleiter bei Seuffer. Trotz einer eigenen, innovationsgeprägten Fachabteilung erweist sich der Aufbau eines Netzwerks mit gleichgesinnten Partnern als hilfreich. „Es ging um ein Chipdesign, das sich mit Standardprozessen kostengünstig herstellen lässt“, erinnert sich Schaller. Die Idee eines integrierten 3D-Magnetfeldsensors, der an einer Stelle alle drei Raumachsen eines beliebigen Magnetfeldes erfasst und misst, geht den Entwicklungsingenieuren im Bärental schon länger durch den Kopf. Doch erste Gehversuche auf diesem Feld schlagen fehl. Ein Gespräch mit Chipexperten des Erlanger Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS bestärkt Seuffer wieder darin, trotz Rückschlägen die Entwicklungsaktivitäten voranzutreiben. Parallel dazu startet das Erlanger Forschungsinstitut eigene Untersuchungen, wie ein zuverlässiger Sensorchip, der Magnetfelder messen kann, aufgebaut sein muss.

 

Das hartnäckige Festhalten am neuen Kurs zahlt sich aus. Es dauert vier Jahre während zum Teil gemeinsam mit den IIS-Wissenschaftlern, aber auch unabhängig voneinander an tragfähigen Bauplänen und Entwurfsskizzen für einen neuartigen Magnetfeldsensor mit den gewünschten Eigenschaften geforscht wird. Dann steht fest: Die hochgenaue Positionserkennung mittels dreidimensionaler Magnetfeldsensoren ist technisch und betriebswirtschaftlich realisierbar.

 

Den Durchbruch schafft Seuffer mit einer sehr praxisnahen Entwicklung. Um die Unwucht einer Waschmaschine zu zähmen, befestigen die Spezialisten aus dem Schwarzwald an der Geräterückwand einen Magnetfeldsensor, der die Trommelposition während des Betriebs misst und die Zuladungsmenge ermittelt. Mit Hilfe der Messdaten lässt sich nicht nur eine eventuell vorhandene Unwucht in der Trommel ausgleichen, sondern auch eine bessere Dosierung von Waschmittel und Wasserzufuhr erreichen. Die Basistechnik für den Sensorchip stammt aus dem Fraunhofer-Institut in Erlangen während Seuffer den Algorithmus für die exakte Positionsbestimmung der Trommel im Raum entwickelt. Der Hausgerätehersteller BSH Bosch Siemens Hausgeräte ist von der serienreifen Sensorlösung begeistert und hat inzwischen mehr als 1,5 Millionen Waschautomaten mit den preisgünstigen Chips aus dem Bärental bestückt.

 

Auf Lorbeeren mag sich in Calw-Hirsau niemand ausruhen. Im Gegenteil. Kaum laufen Waschautomaten dank der neuartigen Sensortechnik rund, sitzen die Seuffer-Ingenieure an nächsten Applikationen für die Magnetfeldmessungen. Zusammen mit Fraunhofer-Wissenschaftlern realisieren sie ein Sensorsystem für Strommessungen in Elektromotoren und Hybridantrieben. Das Messen von Starterströmen und der Zustand von Batterien sind wichtige Informationen für den Fahrbetrieb. Bislang wird zum Strommessen ein so genannter Shunt eingesetzt, der im elektrischen Stromkreis einen Spannungsabfall bewirkt und damit Auskunft über die Stromstärke gibt. Vor allem bei mehrmaligem Motorstart erhitzen sich diese Shunts und können ausfallen. Dieser Nachteil entfällt, wenn Magnetfeldsensoren berührungslos und verlustfrei den Stromkreis messen – ein zukunftsträchtiges Beispiel für Weiterentwicklungen aus einer innovativen Basistechnik.

Andreas Beuthner